Transnationaler Widerstand gegen ein internationales Firmengeflecht

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Veröffentlicht in: Común #4 / Dez. 2020, S. 30 / 31

Mieter*innen organisieren sich gegen Immobilien-Spekulant »Akelius«

Eine Miete von 40 Euro pro Quadratmeter gibt es nicht? Doch – bei Akelius in Berlin. Das Geschäftsmodell von Akelius ist denkbar einfach: maximaler Profit durch maximale Wertsteigerung bei minimaler Investition. Die Abläufe sind an allen Standorten des Konzerns gleich: Häuser werden in angesagten westlichen Metropolen günstig eingekauft, der Auszug langjähriger Mieter*innen wird forciert, frei werdende Wohnungen werden luxusmodernisiert und die Mietpreise werden anschließend vervielfacht ohne sich an lokale Mietpreisregulierungen zu halten. Zum Abschluss werden die Mietshäuser in Eigentumswohnung umgewandelt und verkauft. Begleitet wird dieser Prozess durch vielfältige Steuersparmodelle, wie dem verzweigten Firmenkonstrukt mit Gesellschaften und privaten Stiftungen in den Steueroasen Zypern und Bahamas oder den Share Deals, bei denen die Grunderwerbssteuer “gespart“ wird, indem statt der Immobilien einfach Firmen-Anteile gekauft werden.1 Der Konzern veranschlagt selbst rund zehn Jahre für den Ablauf dieses Standard-Prozesses an den jeweiligen Standorten. Die UN hat in offiziellen Schreiben (Communications) an Akelius und an die Regierungen von Deutschland, Großbritannien und Kanada im Geschäftsgebaren von Akelius Verstöße gegen das Menschenrecht auf Wohnen nachgewiesen, diese kritisiert und Korrekturen angemahnt.

In Schweden, dem Sitz der Hauptfirma »Akelius Residential Property AB«, wurde der Konzern 1994 aktiv, international ab 2006. Einen Großteil seiner schwedischen Immobilien hat Akelius inzwischen bereits wieder verkauft. In den anderen europäischen Städten beginnt aktuell die letzte Phase der Verwertung: die Umwandlung in Eigentumswohnung mit anschließendem Verkauf. In Nordamerika baut der Konzern derweil seinen Bestand durch großangelegte Zukäufe noch aus.

Anfang 2018 gründeten Akelius-Mieter*innen in Berlin eine Vernetzung, um sich gemeinsam gegen Akelius zu wehren. Lokal gab es schon vorher pressewirksame Proteste der Bewohner*innen einzelner Häuser, wie zum Beispiel der Senior*innen vom Hansa Ufer 5. Das Anliegen der Vernetzung ist es, den Widerstand stadtweit und überregional zu bündeln und zu stärken, um die Vereinzelung von uns Mieter*innen aufzubrechen und zu überwinden. In Berlin besitzt Akelius aktuell etwa 900 Häuser mit rund 14.000 Wohnungen. Weltweit sind es um die 45.000 Wohnungen. Ende August 2020 hat der Konzern überraschend angekündigt, sein Geschäftsmodell zu ändern und zukünftig auf Luxusmodernisierungen im Altbau zu verzichten und nebenbei knapp ein Drittel seiner Angestellten zu entlassen. Begründet wird dies mit „die gute Zeiten sind vorbei“ und höheren Gewinnerwartungen durch den Ankauf von Neubau. Auch wenn sich an dem Profitstreben von Akelius nichts geändert hat, ist dies ein erster Erfolg unseres Mieter*innen-Widerstands und zunehmender Regulation durch die Politik.

Ein Vorteil für den organisierten Mieter*innen-Widerstand ist die Berechenbarkeit der standardisierten Verwertungsabläufe bei Akelius. Anhand der Erfahrungen aus Schweden kann frühzeitig abgelesen werden, was Mieter*innen auch anderswo erwartet. Voraussetzung ist jedoch, sich mit diesen Erfahrungen genauer auseinanderzusetzen. Zu diesem Zweck hat die Vernetzung der Akelius-Mieter*innen im Sommer 2019 das Dossier »Akelius in Berlin 2018/2019« veröffentlicht. Daten, Informationen, Erfahrungen und Handlungsoptionen wurden ein Jahr lang zusammengetragen, analysiert und bewertet. Dabei zeigte sich auch, dass nur die transnationale Vernetzung der Mieter*innen dem Geschäftsmodell von Akelius einen wirksamen Widerstand entgegenhalten kann. Denn es ist nicht Ziel, Akelius an einem Standort zu schwächen und die schädlichen Auswirkungen der Geschäftspraxis den Mieter*innen in anderen Städten zu überlassen oder sie ihnen gar zu übertragen. Ebenso ist es nicht Ziel, nur Altmieter*innen zu unterstützen, sondern auch die oftmals international neu zugezogenen Neumieter*innen. Der transnationale Widerstand organisiert sich daher auf zwei Ebenen: der lokalen und der überregionalen.

In Berlin befindet sich rund ein Drittel aller Akelius-Wohnungen weltweit. Knapp die Hälfte davon wurde inzwischen luxusmodernisiert und dauerhaft vom bezahlbaren ins Hochpreissegment verschoben, inklusive Mieter*innenaustausch und massiver Mietpreissteigerung. Das bedeutet, dass in knapp jeder zweiten Berliner Akelius-Wohnung Mieter*innen wohnen, die deutlich mehr Miete zahlen, als nach Mietspiegel vorgesehen. Da den alteingesessenen Mieter*innen mit noch moderaten Mieten bewusst ist, dass ihre Verträge dadurch immer stärker unter Druck geraten, sind sie den Neumieter*innen häufig skeptisch gegenüber eingestellt. Denn zum einen steigt durch die massiv erhöhte Miete bei den Neuvermietungen der Mietspiegel, der im Rückschluss die Erhöhung der eigenen Miete befördert, und zum zweiten nimmt der Druck seitens Akelius zu, die letzten günstigen Mietverträge los zu werden. Hinzu kommt, dass viele der Neumieter*innen international Zugezogene sind, so dass die Kontaktaufnahme zwischen den alten und neuen Nachbar*innen aufgrund von Sprachbarrieren zusätzlich erschwert wird. Von dieser Spaltung profitiert Akelius, zumal die internationalen Mieter*innen darauf angewiesen sind, von Nachbar*innen auf ihre Rechte als Mieter*innen aufmerksam gemacht und an Beratungsstellen und Anwält*innen vermittelt zu werden. Ein Ansatz der Vernetzung der Akelius-Mieter*innen ist es daher, diese Spaltung zu überwinden und sowohl die alteingesessenen als auch die neuen Mieter*innen in einen gemeinsamen Widerstand gegen Akelius zusammen zu bringen. Warum? Das Geschäftsmodell von Akelius bricht zusammen, wenn die Neumieter*innen nicht die exorbitant hohen Mieten zahlen. Um jedoch diese Neumieten absenken und an den Mietspiegel anpassen zu können, müssen die neuen Mieter*innen das Wissen darum haben und aktiv werden. Wir bemühen uns daher dieses Wissen zu verbreiten und Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen und arbeiten sowohl bei Infomaterial und Stellungnahmen als auch auf Versammlungen mit Übersetzungen. Wenn Mieter*innen die hohen Akelius-Mieten mit Verweis auf die Mietpreisbremse in Frage stellten, wurde die Miete schon mehrfach bis zu 22 Prozent gesenkt. Außerdem betrifft alle Mieter*innen im gleichen Maße die Verdrängungsgefahr durch die abschließende Umwandlung in Eigentumswohnungen. Von diesem letzten Verwertungsschritt könnte Akelius ohne Probleme oder Verzögerungen profitieren, wenn der Konzern vorher schon viele zahlungskräftige Mieter*innen angesiedelt hätte und an diese verkaufen würde. Dämpfende Regularien wären dann nämlich selbst in Milieuschutzgebieten ausgehebelt. Doch das Gegenteil ist oft der Fall. Viele der Neumieter*innen können sich die überteuerten Akelius-Mieten kaum oder nur durch große Einschränkungen „leisten“.

Der gemeinsame transnationale Widerstand auf überregionaler Ebene umfasst andere Schwerpunkte. In erster Linie steht der Austausch von Informationen und unseren jeweiligen lokalen Erfahrungen. Was Akelius in Stockholm schon durchexerziert hat, erwartet uns aktuell in Berlin. Was wir gerade in Berlin, London und Paris erleben, erwartet die Mieter*innen in Kanada und den USA. Die Ausrichtung auf das kommende Geschäftsgebaren von Akelius lässt uns nicht unvorbereitet ins offene Messer laufen. Wir können uns frühzeitig Bündnispartner*innen suchen, die öffentliche Diskussion auf bestimmte Probleme lenken und politische Lösungsvorschläge entwickeln. Gleichzeitig dient die überregionale und transnationale Vernetzung der eigenen lokalen Öffentlichkeitsarbeit. Denn wenn dieselben Probleme aus mehreren Städten weltweit skandalisiert werden, wenn die UN öffentlich die gleiche menschenverachtende Geschäftspraxis von Akelius in verschiedenen Ländern anprangert und wenn Mieter*innen sich überregional zusammentun, erhöht das die Sichtbarkeit unseres Protestes und die Glaubwürdigkeit unserer Kritik. Perspektivisch sind sogar gemeinsame, transnational koordinierte Aktionen denkbar. Die Veröffentlichung der gemeinsamen Erklärung zu den oben erwähnten Schreiben der UN, war eine erste dieser möglichen gemeinsamen Aktionen. Ein Vorschlag aus Toronto für eine weitere Aktion aller Akelius-Mieter*innen aus den verschiedene Städten wird momentan lokal diskutiert.

Letztlich geht es darum, das Menschenrecht auf Wohnen durchzusetzen. Es gilt, den lokalen Politiker*innen klar zu machen, dass auch in westlichen Industriestaaten Menschenrechte verletzt werden, wenn mit Wohnraum spekuliert wird. Die transnationale Vernetzung der Akelius-Mieter*innen macht deutlich, dass das ein globales Problem ist. Und sie macht deutlich, dass wir radikale Lösungen brauchen, wie die Enteignung von Akelius, Deutsche Wohnen & Co. Wir müssen das Spekulieren mit Wohnraum ein für alle Male beenden. Wir brauchen das Bewusstsein und die legislativen Mittel, damit das Recht auf Wohnen nicht von den Preisen an der Börse diktiert wird, nach dem Motto: Wer es sich finanziell leisten kann, darf wohnen, wo und wie er*sie das möchte, wer es sich nicht leisten kann, muss halt ausweichen. Nein! Es gibt das Menschenrecht auf Wohnen und es gilt dieses einzufordern. Die transnationale Zusammenarbeit der Mieter*innen stärkt diesen Kampf und inspiriert in den Mitteln es zu erkämpfen.

Weitere Infos (inkl. der im Text genannten Papiere, Daten und Veröffentlichungen): https://akelius-vernetzung.de


1 Anfang September 2020 hat die Bundestagesabgeordnete Cansel Kiziltepe (SPD) Akelius wegen des Verdachts auf illegale Steuervermeidung durch zweifelhafte Share Deals bei der Steuerfahndung angezeigt. https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/cansel-kiziltepe-spd-abgeordnete-zeigt-berliner-immobilieninvestor-an-a-b32e9fd4-cce3-4f29-b63a-69fb94f9592a



English version

German version published in: Común #4 / Dez. 2020, pp. 30 / 31

Transnational Resistance Against International Corporate Network

Tenants Organize Against Real Estate Speculator “Akelius”

Rent of 40 euros per square meter, not possible! Yes, it is—from Akelius in Berlin. Akelius’ business model is very simple: maximum profit through maximum increase in value, with minimal investment. The process is the same at all the company’s locations: in trendy Western cities properties are bought at low prices, long-time tenants are pushed out, the apartments are then luxuriously modernized, and the rent is then increased without adhering to local rent regulations. Finally, the apartment buildings are converted into condominiums and sold. This process includes a variety of tax saving schemes, such as a multi-branched corporate structure with companies and private foundations in the tax havens of Cyprus and the Bahamas, or share deals in which property transfer taxes are „avoided“ by simply buying shares in the company instead of real estate.1 The Group itself estimates that this standard process—from purchase to sale—takes around ten years at each respective location. In official letters (communications) to Akelius and to the governments of Germany, the United Kingdom, and Canada, the UN has identified Akelius‘ business practices as in violation of the human right to housing, thereby criticizing the company and calling for corrective action.

The group became active in Sweden in 1994, where the main company „Akelius Residential Property AB“ is based, and from 2006 onwards they became active internationally. In the meantime, Akelius has already sold a large proportion of its Swedish properties. In other European cities, the final phase of this profit driven strategy—the conversion into condominiums and their subsequent sale—is currently underway. In North America, the company is still expanding its portfolio through large-scale acquisitions.

At the beginning of 2018, Akelius tenants in Berlin started a network to jointly defend themselves against Akelius. Locally, the press had already reported on protests by residents of individual buildings, such as the senior citizens of Hansa Ufer 5. The objective of the network is to combine and strengthen resistance citywide and nationwide as well as to prevent and overcome our isolation as tenants. In Berlin, Akelius currently owns about 900 houses with around 14,000 apartments—worldwide, around 45,000 apartments. At the end of August 2020, the group surprisingly announced that it would change its business model and, in the future, abandon the luxury modernization of old buildings, while also laying off almost a third of its employees. „The good times are over“ was their justification as well as the expectation that the purchase of new buildings would generate higher profits. Even if Akelius hasn’t changed in their pursuit of profit, this was the first success for our tenant resistance and for the increased regulation by politics.

The predictability of Akelius’s basic strategy for generating profit is an advantage to tenants organizing resistance. Based on experiences from Sweden, it is possible to understand at an early stage what tenants should expect elsewhere. It is necessary, however, to take a closer look at these experiences. To this end, the Network of Akelius Tenants published the dossier „Akelius in Berlin 2018/2019“ in summer 2019. For a year, data, information, experiences, and options for action were compiled, analyzed, and evaluated. In the process, it also became apparent that only a transnational network of tenants can offer effective resistance to the Akelius business model. Our aim is not to weaken Akelius in one location and to let other tenants in other cities feel the harmful effects of its business practices, nor merely to communicate it to others. Likewise, the goal is not to support only long-term tenants, but also to support new tenants, many of which are new and international. Transnational resistance is therefore organized on two levels: the local and the transregional.

About one-third of all Akelius apartments worldwide are located in Berlin. Just under half of these have received luxury modernizations and have been permanently shifted from the affordable to the high-price bracket, including the replacement of tenants and massive rent increases. This means that almost every other tenant living in an Akelius apartment in Berlin is paying significantly more rent than the rent index stipulates. Because long-established tenants with still moderate rents are aware that their contracts are coming under increasing pressure, they are often skeptical of the new tenants. This is because, on the one hand, the massive increase in rents for new tenants raises the rent index, which in turn encourages an increase for everyone, and, secondly, because Akelius is then under increasing pressure to get rid of the remaining leases that are reasonable. In addition, many of the new tenants are international, which, due to language barriers, makes it more difficult to develop contact between the old and new neighbors. Akelius benefits from this division, especially because the international tenants depend on their neighbors to learn about their rights as tenants and to find consultation centers and lawyers. Therefore, one of the Akelius Tenants Network’s approaches is to overcome this division and to unite both the old and the new tenants in collective resistance against Akelius. Why? Akelius‘ business model will collapse if new tenants do not pay the exorbitantly high rents. However, in order to be able to lower these new rents and bring them in line with the rent index, the new tenants must know about this and become active. We therefore strive to spread this knowledge and to point out possibilities for action. We work both with information material and statements, as well as through meetings and translations. On multiple occasions, tenants have questioned the high Akelius rents by referencing the rent moratorium, thereby reducing the rent by up to 22 percent. In addition, the eventual conversion into condominiums presents the same risk of displacement to all tenants. By already collecting many tenants who are able to afford the properties, Akelius could profit from this last stage in their profit strategy without any problems or delays, merely by selling them the properties. The dampening effects of regulations would then be nullified, even in those areas designated for special protection. But the opposite is often the case. Many of the new tenants can hardly „afford“ the overpriced Akelius rents, or can only do so through considerable sacrifices.

Collective transnational resistance on a transregional level involves other focal points. First and foremost, is the exchange of information and our respective local experiences. What Akelius has already done in Stockholm is currently awaiting us in Berlin. What we are currently experiencing in Berlin, London, and Paris is what awaits tenants in Canada and the USA. We will not walk unprepared into the trap of Akelius‘ future business practices. We can look for alliance partners early on, focus the public debate on specific problems, and develop political solutions. At the same time, transregional and transnational networking benefits our own local public relations work. That is, if the same problems from multiple cities around the world generate a scandal, and if Akelius is publicly denounces by the UN for the same inhumane business practices in different countries, and if tenants join forces on a transregional level, the visibility of our protest and the credibility of our criticism will increase. Even collective, transnationally coordinated actions are a conceivable prospect. The publication of a joint statement about the above-mentioned UN letter was the first of these possible joint actions. A proposal from Toronto is currently being discussed locally for further actions by all Akelius tenants from the different cities.

Ultimately, it is about enforcing the human right to housing. It is important to make clear to local politicians that human rights are also violated in Western industrialized countries when housing is used for speculation. The Transnational Network of Akelius Tenants makes it clear that this is a global problem. And it is clear that we need radical solutions, like the expropriation of Akelius, Deutsche Wohnen & Co. We must, once and for all, end speculation with housing. We need the awareness and the legislative means to ensure that the right to housing is not dictated by prices on the stock exchange, according to the motto: those who can afford it financially, may live where and how they want, those who cannot afford it, must simply move out. No! There is a human right to housing and it is important to demand it. The transnational cooperation of tenants strengthens this struggle and inspires the means to fight for it.

Further information (including the papers, data, and publications mentioned in the text): https://akeliusvernetzung.de


1 At the beginning of September 2020, Cansel Kiziltepe (SPD), a member of the German Bundestag, reported Akelius to the tax authorities on suspicion of illegal tax avoidance through dubious share deals. https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/cansel-kiziltepe-spd-abgeordnete-zeigt-berliner-immobilieninvestoran-a-b32e9fd4-cce3-4f29-b63a-69fb94f9592a

Leitfaden zur Recherche von Share-Deals

Akelius verstößt vermutlich gegen Share-Deal-Regelungen. Cansel Kiziltepe (Bundestagsabgeordnete, SPD) hat Akelius bei der Steuerfahndung gemeldet. Ihr Verdacht: Bei einem Share Deal von Akelius ging es nicht mit rechten Dingen zu. Akelius hat den Deal mit zwei Firmen abgewickelt, die beide zum Akelius-Firmengeflecht gehören (Akelius GmbH und Giannis Beta Ltd.). Vorgeschrieben ist aber, dass die beiden Firmen, die die Anteile kaufen, unabhängig voneinander sein müssen. Daher auch die Bezeichnung Share Deal.

Wir gehen davon aus, dass Akelius nicht nur bei diesem einen Deal so gearbeitet hat. Deshalb gibt es hier eine kurze Anleitung, mit der ihr selbst schauen könnt, ob euer Haus mit einem Share Deal an Akelius gegangen ist. Meldet euch gerne bei uns wenn ihr was rausfindet!

Vorbereitung:

Generell macht es Sinn, alle Hauskäufe durch Akelius seit spätestens 2016 auf Share Deals zu überprüfen. Checkt dafür eure Unterlagen, ob es eine Änderung gab zwischen der Rechtsperson, mit der ihr den Vertrag abgeschlossen habt, und der Rechtsperson, der ihr aktuell eure Miete zahlt. Nehmt dann den Namen des aktuellen Empfängers der Miete und recherchiert die Besitzverhältnisse.

Es gibt vier Wege der Recherche:

  1. Ihr geht mit euren Mietvertrag und Ausweis zum Grundbuchamt und lest nach, wer euer Haus wann zu letzt gekauft hat. Wenn kein Eintrag für die Zeit gemacht wurde, als Akelius euer Haus übernommen hat, wurde nicht euer Haus an Akelius verkauft, sondern die GmbH, der das Haus gehört und dann ist es ein Share Deal. Die Liste der Grundbuchämter der Grundbuchämter findet ihr hier: https://service.berlin.de/dienstleistung/326740/
  2. Wenn euer Haus im Milieuschutzgebiet liegt, muss das Bezirksamt (Abteilung: Stadtplanung) über jeden Verkauf des Hauses informiert werden und es müsste somit ein Antrag auf ein Negativzeugnis gestellt worden sein. Wenn dem Bezirksamt keine Informationen über den Verkauf an Akelius vorliegen, war es ein Share Deal.
  3. Ihr recherchiert online über das Unternehmensregister zu der GmbH, der eure Haus gehört. Wenn ihr im Unternehmensregister den Namen eures Mietvertragspartners (BSP: A.R.O. 1-55) eingebt, bekommt ihr eine Übersicht mit Änderungseinträgen zu der GmbH. Ihr könnt euch die Einträge kostenlos anzeigen lassen. Es ist ein starkes Indiz für einen Share Deal, wenn ihr zum Beispiel Formulieren findet wie:
    1. „Firma vormals: Schulte & Kraus Grundbesitz GmbH (…), Firma: A.R.O. 39 (…)“
    2. „Rechtsverhältnis: Entstanden durch Umwandlung im Wege des Formwechsels der Dritten Cimarron GmbH & Co. KG (…)“
    3. „Die Gesellschaft ist entstanden durch formwechselnde Umwandlung der Reichenberger Straße 114 GmbH & Co. KG (…)“=> Das Indiz erhärtet sich, wenn nach der Formumwandlung ein Wechsel des Managements und die komplette Umbenennung zu einer der A.R.O.’s eingetragen ist.
  4. Die sichersten Infos bekommt ihr, wenn ihr über das Handelsregister nach der Liste der Gesellschafter recherchiert, also wem genau wieviele Anteile an der GmbH, gehören, der euer Haus gehört. Ihr müsst wieder eintragen, welche Akelius-Unterfirma (A.R.O.) ihr sucht und euch dann zu der Liste der Gesellschafter*innen durchklicken. Wenn das Verhältnis der Besitzanteile 94,9% : 5,1% oder 89,9% : 10,1% beträgt, ist es ein Share Deal. Das Handelsregister erhebt eine Gebühr pro Auszug und ihr müsst euch vorher online registrieren. Ihr kommt zu dieser Liste auch über das Unternehmensregister, wenn ihr euch durchklickt: Registerinformationen des Registergerichts → Registerinformationen anzeigen → Dokumentenansicht (DK) → Dokumente der Registriernummer → Liste der Gesellschafter. Dort wird pro Auszug eine Gebühr von 1,50 € erhoben.

Wohnen als Menschenrecht ernst nehmen, Gesetzeslücken schließen

Akelius missachtet mit seinem Geschäftsmodell und mit seiner Geschäftspraxis das Recht auf Wohnen. Möglich ist das auch, weil in Berlin und in Deutschland (und weltweit) das Handeln von Akelius und ähnlich aufgestellten Konzernen wie Blackstone, Vonovia, Deutsche Wohnen und Co. nicht ausreichend gesetzlich geregelt ist.

Wenn es Akelius innerhalb weniger Jahre gelungen ist, mit Share Deals allein in Berlin die Zahlung von Steuern in Millionenhöhe zu vermeiden (Grunderwerbsteuer entfällt bei Share Deals), dann ist es an der Zeit, dieses Steuerschlupfloch sofort zu schließen. Und wenn Akelius mit übertrieben aufwändigen und teuren Modernisierungen die Mietpreisbremse umgeht und uns Mieter*innen damit das Leben schwer macht, dann liegt das auch daran, dass das Gesetz eine dicke Lücke hat, die Akelius ausnutzt. Wenn schließlich Akelius in Berlin im großen Stil Mietshäuser in Eigentumswohnungen umwandeln will, dann muss die gesetzliche Regelung zum Verbot solcher Umwandlungen in angespannten Wohnungsmärkten, die derzeit diskutiert wird, zügig umgesetzt werden, um Mieter*innen konsequent vor Verdrängung zu schützen.

Kurz: Wohnen ist keine ware, Wohnen ist ein Menschenrecht. Daran haben wir die Fachpolitiker*innen auf Landes- und auf Bundesebene erinnert und sie auf die Communications der ehemaligen UN-Sonderberichterstatterin für das Recht auf Wohnen, Leilani Farha, und auf das internationale gemeinsame Statement von Akelius-Mieter*innen hingewiesen.

Das Schreiben an die Politiker*innen dokumentieren wir hier:

Sehr geehrte Abgeordnete,

Die Vereinten Nationen haben die Communications der damaligen UN-Sonderberichterstatterin für das Menschenrecht auf Wohnen, Lailani Farha, an Akelius und an die Bundesregierung veröffentlicht.

Leilani Farha: „Die Aktivitäten von Akelius wirken sich äußerst nachteilig auf
die Bezahlbarkeit der Mieten und die Bewohnbarkeit der Häuser aus, die Akelius
besitzt. Viele Mieter waren langen Perioden störender Bauarbeiten ausgesetzt,
und einige berichteten, dass sie höhere Mieten zahlen müssen, weil Bauarbeiten
durchgeführt wurden, die sie nie gefordert, gewollt oder für notwendig
erachtet haben und über die sie in einigen Fällen nicht einmal ausreichend
informiert wurden.“

Die deutsche Regierung ist aufgefordert, Informationen über Gesetzesinitiativen im Bereich Steuergesetzgebung und Steueroasen zu übermitteln, außerdem zu allen anderen Maßnahmen, die von der Regierung ergriffen wurden, um die negativen Auswirkungen der Finanzialisierung des Wohnungswesens auf die Menschenrechte zu verhindern. Konkret zu Akelius wird die Bundesregierung gebeten, Informationen zu übermitteln über alle Untersuchungen zu den Geschäftspraktiken von Akelius Deutschland und deren Auswirkungen auf die Menschenrechte bei der Unterbringung von Mieter*innen in den Häusern, die dem Unternehmen gehören.

In Berlin besitzt Akelius rund 900 Häuser.

Wir Akelius-Mieter*innen können alle diese aufgezeigten Missstände aus eigenen Erfahrungen bestätigen und fordern Sie als gewählte Abgeordnete auf, das Menschenrcht auf Wohnen zu achten und zu schützen.

Dazu gehört:

  • Share Deals beim Immobilien-Handel verbieten.
  • Dauerhafte und flächendeckende Mietregulierung am Beispiel des Berliner Mietendeckels gewährleisten.
  • Alle Ausnahemregelungen in der Umwandlungsverordnung abschaffen.
  • Finanzialisierten Wohnungskonzernen wie Akelius keine elementaren Bereiche der Daseinsfürsorge – wie das Wohnen – zu überlassen. Wohnen ist ein Menschenrecht. Es gibt kein Recht auf Profit.

Und aus gegebenen Anlass:

  • Profitorientierte Wohnungskonzerne an den Kosten der Corona-Krise zu beteiligen, d.h. den Corona bedingten Kündigungsschutz verlängern und entstanden Mietschulden zu erlassen.

Wir fordern Sie auf, endlich wirkungsvoll und engagiert im Sinne der Menschen und nicht dem der Konzerne zu handeln.

Mit freundlichen Grüßen,
Vernetzung der Akelius-Mieter*innen Berlin

Nachweise:

UN Communication an Deutschland:
https://spcommreports.ohchr.org/TMResultsBase/DownLoadPublicCommunicationFile?gId=25200

UN Communication an Akelius:
https://spcommreports.ohchr.org/TMResultsBase/DownLoadPublicCommunicationFile?gId=25199

Internationale gemeinsame Erklärung der Akelius-Mieter*innen:
https://akelius-vernetzung.de/wp-content/uploads/2020/12/Press_Release_Joint_Statement.pdf

Deutsche Übersetzung:
https://akelius-vernetzung.de/2020/06/29/internationale-gemeinsame-erklaerung-von-akelius-mieterinnen/

Pressemitteilung der Vernetzung der Akelius-Mieter*innen Berlin:
https://akelius-vernetzung.de/2020/06/28/akelius-missachtet-die-menschenrechte-schreiben-der-un-sonderberichterstatterin-an-akelius-und-an-die-bundesregierung/

Akelius schüttet 117 Mio € Dividende aus

Die Muttergesellschaft von Akelius Deutschland ist die schwedische Aktiengesell­schaft Akelius Residential Property AB. Auf der Hauptver­sammlung am 3. April wurde beschlossen eine Dividende von ca. 117 Mio € an die Aktionäre auszu­schütten, was ein Schlag ins Gesicht der Mieter*innen ist, die durch die Corona-Maßnahmen finanziell gebeutelt sind.

Marktfreundliche Politiker*innen argumen­tieren, dass Dividenden häufig Baustein der privaten Altersvorsorge von Kleinanlegern seien. Bei Akelius liegt allerdings der Verdacht nahe, dass die Dividende nicht einer Vielzahl von Kleinanlegern zugute kommt, sondern hauptsächlich dem Privatver­mögen des Firmen­gründers und Steu­erexperten Roger Akelius, denn nur rund 6,5 % der Akelius-Aktien werden frei gehandelt. Den Rest besitzt ein undurchsichtiges Geflecht aus drei zypriotischen Firmen mit be­schränkter Haf­tung und drei Stiftungen auf den Bahamas, unter anderem die „Grandfather Roger Foundation‟. Im Schaubild die Struktur des Akelius-Firmenge­flechts (Stand April 2020); ein Pfeil bedeutet: „ist Tochterfirma von…‟

Organigramm des Akelius-Konzerns. Unterfirmen sind nur für Deutschland nach Namenskürzel (A.R.O. usw.) zusammengefasst abgebildet

Auf den Bahamas ist eine Stiftung eine sehr intransparente und dabei lukrative Sache (z. B. keine Stiftungsaufsicht und annähernd keine Steuern). Die Direk­toren der Akelius Foundation spielen auch bei Akelius eine wichtige Rolle. Ein Sohn von Roger Ake­lius sitzt im Stiftungsrat der Akelius Foundation. Diese Intransparenz lässt vermuten, dass die Stiftungen abhängig von Roger Akelius sind und ihre wich­tigste Funktion ist zu verschleiern, dass ein Großteil der 117 Mio € Dividende in sein Privatvermögen fließen.

Quellen und weiterführende Infos: