Missachtung der Menschenrechte durch Akelius stoppen – Menschenrecht auf Wohnen durchsetzen

Akelius-Mieter*innenvernetzung in Hamburg und Berlin, 10. Dezember 2020, Internationaler Tag der Menschenrechte

Gemeinsame Stellungnahme zur Antwort der Bundesregierung auf das Schreiben der damaligen UN-Sonderberichterstatterin für das Recht auf Wohnen, Leilani Farha, bezüglich der Missachtung der Menschenrechte durch Akelius.

Kontext und Vorgeschichte

Im April 2020 übermittelte die damalige UN-Sonderbeauftragte für das Recht auf angemessenes Wohnen, Leilani Farha, ein offizielles Schreiben an die Bundesrepublik Deutschland. In diesem Schreiben wies sie nach, dass das Geschäftsmodell von Akelius systematisch die Menschenrechte missachtet. Und nicht nur das Geschäftsmodell von Akelius, sondern ebenso aller großen Wohnungskonzerne, die mit dem gleichen Modell arbeiten, so zum Beispiel Blackstone oder Heimstaden. 

Dokumente

Farha verschickte insgesamt vier Schreiben: Eins an Akelius (die Antwort steht noch aus), und jeweils eins an die Regierungen von Großbritannien, Kanada und Deutschland. In ihrem Schreiben an Deutschland legt Farha die Problematik, für die stellvertretend Akelius steht, auf gut verständliche Weise offen. Das Geschäftsmodell von Akelius missachtet das Recht auf Wohnen und weitere Basisrechte, die in der Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen verbindlich definiert sind. Akelius missachtet Menschenrechte, weil der Konzern mit seinem Geschäft nachweislich zur Gentrifizierung unserer Kieze beiträgt, durch teilweise rabiate Modernisierungen die Bewohnbarkeit der Mietwohnungen stark beeinträchtigt und Mieter*innen verdrängt – zum Beispiel durch Baulärm, Schutt und Staubbelastung, längere Abstellung von Wasser und Heizung usw. 
Rabiate Modernisierungen, heftige Mieterhöhungen, Kündigungen und Zwangsräumungen, und schließlich die systematische Verschiebung von bezahlbarem Wohnraum ins Hochpreissegment tragen maßgeblich zur Gentrifizierung bei. Menschen werden aus ihren Kiezen verdrängt, Wohnungslosigkeit und Obdachlosigkeit steigen. Akelius ist dafür mitverantwortlich. Wir haben in einem internationalen Statement gemeinsam mit Akelius-Mieter*innen aus mehreren Städten unsere  Position gegenüber Akelius deutlich gemacht (zur Zeit nur archiviert verfügbar: https://web.archive.org/web/20201101111624/https://akelius-vernetzung.de/2020/06/29/internationale-gemeinsame-erklaerung-von-akelius-mieterinnen/
In ihrem Schreiben an die Bundesregierung bittet Leilani Farha um eine Auflistung, welche Maßnahmen die Bundesregierung ergriffen hat, um:1. das Recht auf Wohnen von uns Mieter*innen gegen das destruktive Geschäftsmodell und die destruktive Geschäftspraxis von Akelius zu schützen und durchzusetzen. 2. um die zunehmende Finanzialisierung des Wohnungsmarkts – vorangetrieben durch Konzerne wie Akelius – zu regulieren. 
Welche Maßnahmen wurden bereits ergriffen? Welche Maßnahmen sind geplant? Ist sich die Bundesregierung der Problematik einer zunehmenden Finanzialisierung des Wohnungsmarkts überhaupt bewusst? 

Antwort der Bundesregierung

Das Antwortschreiben der Bundesregierung ist auf den 6.10.2020 datiert. Es umfasst ohne Vorsatzblatt lediglich zwei Seiten. Aufgelistet sind darin nur allgemeine Punkte. Sie geht mit keinem Wort ein auf die Missachtung der Menschenrechte durch das Geschäftsmodell von Akelius, Blackstone, Heimstaden und Co. Die Finanzialisierung des Wohnungsmarkts mit ihren katastrophalen Folgen, für die Akelius steht, werden mit keinem Wort erwähnt.
Der größte Teil ist gefüllt mit einem Zitat aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (§555d, Duldung von Modernisierungsmaßnahmen) sowie einer paragraphengenauen Beschreibung der Anpassung der Modernisierungsumlage (§559 BGB) durch das „Mietrechtsanpassungsgesetz“, das am 1.1.2019 in Kraft trat. Die Belege Farhas zu der menschenrechtswidrigen Geschäftspraxis von Akelius ignorierend, schließt dieser Teil mit dem Satz: „Der Bundesregierung wurden seitdem keine Fälle von missbräuchlicher Modernisierung von Wohngebäuden bekannt gemacht.“ (Original: „The Federal Government has not been made aware of any cases of the abusive modernisation of residential accomodation since then.“)
Zum Problem des akuten Mangels an bezahlbarem Wohnraum nennt die Bundesregierung in ihrer Antwort lediglich die Förderung von Neubau und Eigentumsbildung und stellt dabei den Wohngipfel 2018 als Riesenerfolg dar, obwohl sie zentrale Punkte des Gipfels noch gar nicht umgesetzt hat.

Problemfeld Verdrängung durch Modernisierungen

Das Geschäftsmodell von Akelius basiert auf zwei Arten der Modernisierung:1. Modernisierungen nach §555b-f BGB: Diese sind aus Sicht von uns Mieter*innen meist unnötig und nicht durch den Wunsch nach Verbesserung der Wohnverhältnisse motiviert, sondern durch den Wunsch nach Profitmaximierung.2. Luxusmodernisierungen, bei denen die Regelungen zur Begrenzung der Modernisierungsumlage gar nicht zur Anwendung kommen, da sie in entmieteten Wohnungen durchgeführt werden. Das bedeutet: Wenn ein*e Mieter*in aus einer bezahlbaren Wohnung auszieht, wird mit hohem Aufwand modernisiert. Aufgrund vorgeblich hoher Investitionen in die Modernisierung greift die Mietpreisbremse nicht. An die* nächste*n Mieter*in wird die Wohnung dann mit einem Aufschlag von 300-400 Prozent vermietet. Dadurch wird systematisch bezahlbarer Wohnraum ersatzlos ins Hochpreissegment verschoben. Akelius ist nicht das einzige Unternehmen, das so handelt. Nach ähnlichem Muster agieren auch andere globale Player wie Blackstone oder Heimstaden. Es geht also um ein systemisches Problem. Die Folgen: Zu hohe Mietkosten für uns Mieter*innen mit kleinen oder mittleren Einkommen, dadurch weniger soziale Teilhabe für breite Teile der Bevölkerung, Verdrängung, weil wir keine bezahlbare Wohnung mehr finden, schnell fortschreitende Gentrifizierung, mehr Wohnungslosigkeit, mehr Obdachlosigkeit. 

Problemfeld Finanzialisierung des Wohnungswesens

Wir bedauern die Weigerung der Bundesregierung, das im Schreiben der UN detailliert beschriebene Problem überhaupt als solches anzuerkennen. In der Antwort auf das Schreiben der UN rücken dadurch die Erhaltung von bezahlbarem Wohnraum und die Durchsetzung des Rechts Menschenrechts auf Wohnen als Ziele der Wohnungspolitik in den Hintergrund.  Mit der Finanzialisierung des Wohnungswesens ist eine Entwicklung des Wohnungsmarkts beschrieben, in der gesteigerte kreditfinanzierte Investitionen durch große, oft börsennotierte Wohnungsunternehmen mit einer radikalen Fokussierung auf Profitmaximierung gekoppelt ist. Wohnungen werden von diesen Unternehmen lediglich als Instrument zur Verwertung von Kapital betrachtet. Dieser Verwertungsdruck führt dazu, dass gesetzliche Regularien nicht mit Blick auf die Ziele des Gesetzgebers ausgelegt werden, sondern mit Blick auf die Profitmaximierung. 
Die Bundesregierung erkennt als Problem an, dass in den Jahren vor 2019 „der Umfang der Modernisierungsmaßnahmen in der Praxis stark zugenommen hatte“. Sie benennt nur nicht den Hauptgrund dafür: Dass große Unternehmen wie Akelius die Modernisierungsumlage systematisch nutzen, um allein renditeorientiert die Miete zu erhöhen. Die Modernisierungen, die Akelius durchführt, sind in keinster Weise nachhaltig, nicht ökologisch und schon gar nicht sozial. Sie verfehlen somit das gesetzlich festgelegte Nachhaltigkeitsziel.

Neubau als Lösung der Probleme?

Neubau ohne weitere Vorgaben bedeutet in Berlin derzeit überwiegend Neubau von Wohnungen mit hoher Miete und Eigentumswohnungen, die nur für einen geringen Teil der Bevölkerung überhaupt erschwinglich sind. Deshalb hilft auch das sogenannte „Baukindergeld“ nur einem speziellen Segment der Bevölkerung. Zusätzlich soll Bauland günstiger an private Investoren abgegeben werden. Das ist aber nicht hilfreich, sondern ein Fehler! Die Privatisierung von Grund und Boden heißt, dass der Staat alles aus der Hand gibt, anstatt die Entwicklung des Wohnungswesens nach sozialen und politischen Maßgaben nachhaltig zu gestalten.
Zur Lösung des eigentlichen Problems, dass viele Bestandsmieter*innen verdrängt werden, tragen die von der Bundesregierung genannten Maßnahmen nichts bei. Im Gegenteil: Wenn vorwiegend Eigentumswohnungen gebaut werden und parallel die Umwandlung von Mietshäusern in Eigentumswohnungen massiv zunimmt – wo bleiben dann wir Mieter*innen?

Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen

Das auf dem Wohngipfel 2018 vereinbarte Umwandlungsverbot hängt noch immer im Entwurf fest, obwohl es längst verabschiedet sein könnte – und müsste. Denn die Umwandlung von Mietshäusern in Eigentumswohnungen nimmt zu. In Berlin hat Akelius jetzt begonnen, für zahlreiche Häuser Abgeschlossenheitsbescheinigungen zu beantragen – der erste Schritt bei der Umwandlung in Eigentumswohnungen.
Auch für die mehr als 300 Wohnungen in der Anton-Saefkow-Siedlung, deren Mieter*innen seit bald zwei Jahren unter einer Großbaustelle leiden, hat Akelius nun Abgeschlossenheitsbescheinigungen eingeholt. Die Anton-Saefkow-Siedlung und der unwürdige Umgang von Akelius mit den Mieter*innen ist im UN-Bericht beschrieben als Nachweis dafür, dass Akelius mit seinem Geschäftsmodell und mit seiner Geschäftspraxis die Menschenrechte missachtet. 

Akelius und Steuern

Zum Problemfeld der Steuervermeidung schweigt sich die Bundesregierung ebenfalls aus.  Akelius und Co. nutzen alle Tricks, um Steuern zu sparen. Mit Share Deals wird die Grunderwebsteuer komplett vermieden und die Kommunen, die mit dem Geld nicht zuletzt Ausgaben für Soziales und Infrastruktur bestreiten, gehen leer aus.Die Firmenstruktur von Akelius ist darauf angelegt, Steuerzahlungen zu vermeiden. Und während auf Bundesebene der Entwurf zur Neuregelung von Share Deals weiter verzögert wird, hat Akelius sich auf die geplanten minimalen Änderungen längst eingerichtet. Die eingesparte Grunderwerbsteuer fließt durch das Akelius-Firmengeflecht über Zypern auf die Bahamas. Beide Länder sind klassische Steuer- und Geheimnisoasen.

Fazit

Die damalige UN-Sonderberichterstatterin für das  Recht auf Wohnen, Leilani Farha, hat in ihrem Schreiben Nachweise vorgelegt, dass Akelius in Deutschland und international die Menschenrechte missachtet. Darauf geht die Bundesregierung in ihrem Antwortschreiben mit keinem Wort ein. Und zwar buchstäblich: Das Wort „Menschenrechte“ kommt im Antwortschreiben überhaupt nicht vor. Ein fatales Zeichen im Kampf für die Achtung der Menschenrechte weltweit. Stattdessen liefert die Regierung lediglich zwei Seiten mit Allgemeinplätzen und Zitaten aus dem BGB.Das lässt leider nur einen Schluss zu:  Die deutsche Regierung hat kein Problem damit, dass Akelius die Menschenrechte missachtet. Wir Mieter*innen haben damit aber sehr wohl ein Problem. Akelius muss auf Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene zur Einhaltung der Menschenrechte verpflichtet werden. Dafür müssen bestehende Eingriffsmöglichkeiten angewandt und weitergehende Regulierungen endlich umgesetzt werden, zum Beispiel für Share Deals und Umwandlungen. 

Missachtung der Menschenrechte durch Akelius stoppen – Menschenrecht auf Wohnen durchsetzen!

Forderungen

Für den Erhalt von bezahlbarem Wohnraum und für einen starken Mieter*innenschutz in Hamburg, Berlin und überall!

  1. Ausnahmsloses und konsequentes Umwandlungsverbot von Mietshäusern in Eigentumswohnungen
  1. Eigenbedarfskündigungen verbieten
  1. Keine Mietpreissprünge durch Luxusmodernisierung
  1. Mietendeckel für Hamburg und bundesweit
  1. Instandhaltung der Akelius-Häuser muss konsequent durchgeführt und durchgesetzt werden
  1. Spekulativen Leerstand durch konsequente Anwendung des Wohnraumschutzgesetzes (Hamburg) und Zweckentfremdungsverbots (Berlin) beenden
  1. Keine Verkäufe an Akelius
  1. Konsequente Anwendung des preislimitierten Vorkaufsrechts wenn Akelius kaufen will
  1. Rekommunalisierung von Häusern durch preislimitiertes Vorkaufsrecht
  1. Rekommunalisierung von großen Beständen durch Vergesellschaftung 
  1. Keine Share Deals im Immobilienhandel
  1. Starker Mieter*innenschutz

Es gibt ein Menschenrecht auf Wohnen, und diese Daseinsvorsorge gehört in gesellschaftliche Hand, nicht in Privathand!