Vorbemerkung: Der nachfolgende Text ist eine deutsche Übersetzung, hier gibt es die englische Originalfassung. (Original English version see separate post.)
Leilani Farha war bis zum 30. April UN-Sonderberichterstatterin für das Recht auf Wohnen. Die Erstellung und Versendung der in der Erklärung genannten Communication fiel noch in ihr Mandat. Leilani Farha ist seit dem 1. Mai Vorsitzende von „Make the Shift“. Der aktuelle Sonderberichterstatter für das Recht auf Wohnen ist seit dem 1. Mai 2020 Balakrishnan RAJAGOPAL.
Berlin, Hamburg, London, Paris, Toronto
Juni 2020
Die UN-Sonderberichterstatterin für das Recht auf Wohnen, Leilani Farha, hat mit Blick auf das Geschäftsmodell und die Geschäftspraxis von Akelius, einem der weltweit größten Wohnungskonzerne, schwerwiegende Bedenken geäußert. [1] Leilani Farha hat eine offizielle UN-Communication an Akelius und an die Regierungen von Kanada, Deutschland und Großbritannien geschickt, wo Akelius unter anderem tätig ist [2].
Wir als Akelius-Mieter*innen können die in der Communication beschriebene Missachtung der Menschenrechte aufgrund unserer eigenen Erfahrungen in Berlin, Hamburg, London, Paris und Toronto voll und ganz bestätigen. Mit der vorliegenden gemeinsamen Erklärung unterstützen und bekräftigen wir die von der UN formulierte Kritik am Geschäftsmodell von Akelius und am Umgang von Akelius mit uns Mieter*innen.
Unsere Wohnungen sind unser wichtigster Rückzugsort, insbesondere in Krisenzeiten. Leider teilen wir in allen Städten die Erfahrungen, dass Akelius unsere Rechte und unsere Bedürfnisse systematisch missachtet. Akelius behandelt uns Mieter*innen einzig und allein als Quelle für Mietzahlungen und Profitmaximierung und nicht als Menschen, die ein Grundbedürfnis nach anständigem und bezahlbarem Wohnraum haben. In der Folge werden wir Mieter*innen mit massiven und lang andauernden Renovierungen gestresst und durch die aggressive Mietmaximierung finanziell bis über unsere Grenzen belastet. Wir werden von Akelius aus unseren Wohnungen gedrängt durch: Rausmodernisierung und weitgehende Verschlechterung der Wohnqualität, durch die Verschleppung unserer Anliegen, angedrohter und vollzogener Zwangsräumung, Mietpreistreiberei und die Umwandlung in Eigentumswohnungen.
Die Probleme für uns Mieter*innen beginnen, sobald Akelius ein Gebäude kauft. Akelius macht aggressive Mieterhöhungen geltend, nutzt alle Schlupflöcher im Mieter*innenschutz aus und verschiebt Wohnungen systematisch ins Hochpreissegment. Während die Kosten durch ein Zurückfahren von Service und Instandhaltung auf ein Minimum verringert werden, leitet Akelius unnötige, exzessive Renovierungsarbeiten an Wohnungen ein, sobald Mieter*innen ausziehen. Dadurch sind wir Mieter*innen dauerhaft Baustellenlärm, Wasser- und Heizungsausfällen, Bauschutt und Staub und damit insgesamt gravierenden Gesundheits- und Sicherheitsrisiken ausgesetzt. Neben diesen sozialen Konsequenzen haben die unnötigen Dauerrenovierungen auch eine erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt durch die massive Ressourcenverschwendung und einen riesigen Schuttberg. Sobald in einem Haus alle Wohnungen auf diese Weise ins Hochpreissegment verschoben sind, wandelt Akelius die Mietwohnungen in Eigentumswohnungen um.
Die Geschäftsstrategie von Akelius zielt einzig und allein auf die Maximierung des eigenen Profits ab, ganz egal, welche Kosten dadurch für uns Mieter*innen und für die Städte entstehen. Das Geschäftsmodell von Akelius ist eine Hauptursache für die gewaltsam durchgesetzte Gentrifizierung und die Verdrängung von Menschen. Die Konsequenzen werden von den Städten getragen und gezahlt, wo Akelius tätig ist: Obdachlosigkeit, wenn Menschen aus ihren Wohnungen geworfen werden, hohe Leerstandsraten, weil Wohnungen durch Renovierungen, die monatelang andauern, dem Wohnungsmarkt nicht zu Verfügung stehen, die Zerstörung des sozialen Gefüges unserer Nachbarschaften, wenn Mieter*innen durch die sprunghaft steigenden Mietpreise dazu gezwungen werden, wegzuziehen. Es kommt hinzu, dass die hohen Mieten den lokalen Wirtschaftskreisläufen das Geld entziehen und die Gewinne über ein undurchsichtiges Firmengeflecht zur Steuervermeidung auf den Konten obskurer privater Stiftungen mit Sitz auf den Bahamas landen [3].
Wir Mieter*innen halten unsere Städte am Laufen. Wir leben und arbeiten in unseren Städten und wir zahlen Steuern. Wir geben Geld in unseren Bezirken und Nachbarschaften aus und unterstützen lokale Wirtschaftskreisläufe. Indem wir Verbindungen in unserer Nachbarschaft knüpfen, sorgen wir für das soziale Gefüge, das unsere Gesellschaft zusammenhält. Anstelle von Akelius‘ destruktiver Geschäftspraxis brauchen wir eine sinnvolle Instandhaltung und Pflege unserer Häuser und Wohnungen. Wir brauchen eine Politik, die bezahlbaren Wohnraum erhält, die Rechte der Mieter*innen achtet und gewachsene soziale Strukturen in unserer Nachbarschaft wahrnimmt und unterstützt.
Wir möchten Akelius mit Nachdruck daran erinnern: Wohnen ist keine Ware – Wohnen ist ein Menschenrecht. Als multinationales Unternehmen hat Akelius eine besondere Verantwortung dafür, das grundlegende Menschenrecht auf Wohnen und alles, was daraus folgt, zu garantieren und zu schützen. Mit Blick auf die Missachtung der Menschenrechte durch Akelius, wie sie die UN-Sonderberichterstatterin, Mieter*innen und Mieterschutzorganisationen festgestellt und bemängelt haben, und mit Blick auf unsere eigenen Erfahrungen, stellen wir jedoch fest: Akelius ist weder willens noch in der Lage, sich um das Wohnen als Teil unserer grundlegenden Daseinsfürsorge zu kümmern.
Wir fordern alle in politischen Ämtern auf – Regierungen, Politiker*innen, Gesetzgeber*innen -, diese Missstände zu beenden. Wir rufen alle Firmen und Selbständige auf, die Lieferung von Waren und Dienstleistungen an Akelius auszusetzen. Investor*innen sollten ihre Investitionen überdenken und umleiten, bis Akelius aktiv Maßnahmen ergriffen hat, in der eigenen Geschäftspraxis die Einhaltung der Menschenrechte sicherzustellen. Wir rufen alle Angestellten von Akelius dazu auf, sich ihrem moralischen Gewissen zu stellen und sich ab sofort an alle gesetzlichen Vorgaben zu halten, nach den Geboten von Ethik und Menschlichkeit zu handeln und Wohnen als ein Menschenrecht über das Profitstreben zu stellen. Wir rufen Medien, Journalist*innen und Wissenschaflter*innen auf, das Geschäftsmodell und das Geschäftsgebaren von Akelius öffentlich zu machen. Und schließlich rufen wir unsere Nachbar*innen, unsere Kieze und alle Mieter*innen auf, ihre lokalen Regierungsvertreter*innen auf Akelius hin anzusprechen. Lasst uns gemeinsam kämpfen und Akelius mit seinem Geschäftsmodell der privaten Gewinnmaximierung stoppen. Lasst uns gemeinsam Wohnen wieder als Menschenrecht durchsetzen. Holen wir uns die Stadt zurück!
Wir fordern:
- Nachhaltige Instandhaltung statt ständige und unnötige Renovierungen!
- Stopp von aggressiver Mietmaximierung – besonders in Krisenzeiten!
- Stopp aller Zwangsräumungen!
- Keine Spekulation mit unserem Grundbedürfnis nach bezahlbarem Wohnraum!
- Stopp Akelius – Enteignen!
- Für bezahlbaren Wohnraum!
- Für das Menschenrecht auf Wohnen!
- Für eine soziale und gemeinwohlorientierte Wohnungspolitik!
Stop Akelius Worldwide ist ein internationaler Zusammenschluss von Akelius Mieter*innen, der gegemseitige Unterstütztung, Beratung und Hilfezwischen den Akelius Mieter*innen in den verschiedenen Städten transnational organisiert.Wir recherchieren, teilen und publizieren Informationen zu den Geschäftspraktiken und zum Geschäftsmodell von Akelius. Als Akelius-Mieter*innen nutzen wir unsere Erfahrungen, unsere Kenntnisse, unser Wissen und unseren Aktivismus, um uns für unsere Rechte einzusetzen und für wohnungspolitische Reformen zu kämpfen.
Unterzeichnet von
Stopp Akelius Berlin – Akelius-Mieter*innenvernetzung
Web: https://stoppakelius.de
Twitter: @stoppakeliusb
Email (Presse): presse@stoppakelius.de
Email (Mieter*innen): kontakt@stoppakelius.de
Akelius Mieter*innen Hamburg
Email: info@rechtaufstadt.net
Akelius-Mieter Paris
Email: frenchakeliustenants@gmail.com
Akelius-Mieter*innen London
Akelius-Mieter*innen Kanada Toronto
Web: https://akeliuscanadatorontotenants.blogspot.com/
Toronto Akelius Tenants Network
Web: https://www.akeliustenants.org/
Contact: akelius.tenants.network@gmail.com
Medienberichte
UN-Sonderberichterstatterin wirft Akelius Menschenrechtsverletzung vor, MieterEcho online, 8.7.2020, https://www.bmgev.de/mieterecho/mieterecho-online/akelius-un-bericht/
UN releases human rights complaints against Toronto apartment owner, Now Toronto, 6.7.2020, https://nowtoronto.com/lifestyle/un-releases-human-rights-complaints-against-toronto-apartment-owner/
Kampf um Wohnraum ist international, Neues Deutschland, 29.6.2020, https://www.neues-deutschland.de/artikel/1138484.akelius-kampf-um-wohnraum-ist-international.html
Fußnoten
[1] Die offizielle Amtszeit von Leilani Farha als UN-Sonderberichterstatterin für das Recht auf Wohnen endete am 30. April 2020. Die Communications wurden kurz vor Ablauf ihrer Amtszeit an Akelius und an die Regierungen von Deutschland, Kanada und Großbritannien verschickt. Die zugehörige Pressemitteilungen datiert auf den 29.4.2020: https://www.ohchr.org/en/NewsEvents/Pages/DisplayNews.aspx?NewsID=25845&LangID=E
[2] Communication an Akelius: https://spcommreports.ohchr.org/TMResultsBase/DownLoadPublicCommunicationFile?gId=25199; Communications an die Regierungen von Deutschland, Kanada und Großbritannien: https://spcommreports.ohchr.org/TmSearch/SearchCode?code=DEU%201/2020;%20CAN%201/2020;%20GBR%201/2020
[3] Für Details zum Firmennetzwerk von Akelius siehe Faltblatt der Berliner Akelius-Mieter*innenvernetzung: https://stoppakelius.de/wp-content/uploads/2020/01/Akelius_in_Berlin.english.pdf, das Dossier zu Akelius https://stoppakelius.de/material/dossier, die Recherche von Akelius Mieter*innen in Toronto: https://akeliuscanadatorontotenants.blogspot.com/p/pictures.html und von Mieter*innengruppen in Toronto: https://www.landlordsoftoronto.com/akelius
Update 29.6.: Wir haben im Text deutlich gemacht, dass die offizielle Amtszeit von Leilani Farha am 30.4.2020 endete.
Update 1.7.: Wir haben die Unterschrift des Toronto Akelius Tenants Network zur Liste der Unterzeichnenden hinzugefügt.